2024

Der Abschied

Seit 2008 war das moondoo an der Reeperbahn 136 zuhause, am Neujahrsmorgen 2025 ging unsere Geschichte mit der Übergabe der Clubräume ans Molotow zu Ende. Wie es dazu kam und was sonst noch passierte in unserem letzten Jahr, liest Du im letzten Teil unserer Heritage-Serie, der zum Schluss auch ein kleiner Abschiedsbrief wird. Dank an alle, die für eine kurze Etappe oder auch für länger Teil dieser Reise waren. Wir werden Euch nicht vergessen.

S.H.O.K., Terrain, Unterm Strich 2024 © Anna Peeck

DJ Keey, DJ Basit, moondoo 2024

ORO (l) und Peer Pressure, Terrain, Unterm Strich 2024 © Anna Peeck

moondoo 2024

Dirrel, Terrain, Unterm Strich 2024 © Anna Peeck

Douniah, Terrain, Cafe Schöne Aussichten 2024 © Anna Peeck

Konz, Terrain, Cafe Schöne Aussichten 2024, © Anna Peeck

B.elle (l.), Naykuma, Terrain, Unterm Strich 2024 © Anna Peeck

High John, Terrain, Cafe Schöne Aussichten 2024 © Anna Peeck

Clubkultur war für uns immer mehr als die Summe ihrer Teile. Aber auch auf einzelne Protagonist:innen kommt es an, gerade hier, auf Sankt Pauli. Schon kurz nach der Meldung Ende 2023, dass das Molotow seinen Standort am Nobistor an ein Boutique-Hotel verlieren würde, begannen wir deshalb zu überlegen: Konnten wir helfen? Vielleicht ein vermittelndes Gespräch führen, wie früher schon mal bei einem anderen Indie-Club, der danach eine Mietvertragsverlängerung erhielt? Oder eine Kooperation anbieten, z.B. eine gemeinsame Nutzung unserer Räume mit Molotow-Konzerten an Wochentagen und moondoo-Parties am Wochenende? Oder sogar eine wie auch immer geartete Teilung der Räume? Klar war nur eins, wenn nichts passieren würde, wäre diese Institution Geschichte. Unvorstellbar.

Esso-Quartier im Verzug

Im Prinzip hätte es das Problem gar nicht geben dürfen. Ursprünglich war dem Molotow von der Stadt ein neuer Standort versprochen worden - im neuen Esso-Quartier am Spielbudenplatz. Nur klaffte dort, anders als geplant, eine riesige Baulücke. Die Planungen stockten. Es würde lange dauern, bis hier wieder Live-Musik zu erleben wäre. Zu lange fürs Molotow, soviel war sicher. Also musste irgendwie eine Alternative her - und zwar auf der Reeperbahn, denn ein anderer Standort als mitten auf dem Kiez, kam für die Betreibenden nicht in Frage.

Zeit, aufzuwachen

Wir diskutierten weiter: Die Molotow-Betreibenden wollten, "mussten" sogar, auf der Reeperbahn bleiben. Konnten wir das auch für uns sagen? Mussten wir weiterhin einen Club auf dem Kiez betreiben? Nicht unbedingt. Nach den quälenden Unsicherheiten der Pandemie, den Veränderungen auf dem Kiez und im Nachtleben allgemein und der Verweigerung der Corona-Überbrückungshilfe 4 durch die IFB (die unsere Spielräume in Sachen Bookings einengte) erschien es uns auch denkbar, das moondoo zugunsten des Molotows zu schließen. Wenn die Nacht einem mehr Energie raubt als sie einem schenkt, ist es Zeit, aufzuwachen. Wer weiß, ob wir auch ohne die Standortprobleme unserer Kolleg:innen an diesen Punkt gelangt wären. Sie waren in jedem Fall der Auslöser und wir beschlossen, ihnen unter anderen auch eine Übernahme anzubieten - und damit unseren Abschied.

Moment der Entscheidung

Das Molotow entschied sich für diesen Vorschlag und fortan standen wir in Verbindung, um alles in die Wege zu leiten. Im Vertrauen, weil die Stadt über die Kulturbehörde und die städtische Kreativgesellschaft beteiligt war, aber kontinuierlich. Je konkreter das Ganze wurde, spätestens mit der Pressemeldung im Sommer, desto mehr war klar, dass das moondoo zum Jahresende schließen würde. Wir begannen, unsere letzten Monate zu planen.

Die letzten Monate

Neben den Clubnächten am Samstag lag der Fokus vor allem auf dem Unterm Strich-Projekt, in dem das von uns initiierte, aber vom moondoo unabhängige Terrain-Projekt Newcomer:innen aus Hip Hop/Rap, Neo RnB, Trap und Electronica präsentierte, etwa Cho RoomBando Babys und Chichi. Aber auch andere Formate, z.B. die FLINTA-Serie Sheroes, planten ihre letzten Abende an diesem Herzensort, denn, das kristallisierte sich im Laufe des Jahres heraus: das Unterm Strich würde - leider - nicht Teil des neuen Molotows werden. Auch hier waren die Tage gezählt.

Der Countdown läuft...

Überhaupt, das Zählen. Einmal noch Reeperbahn Festival. Einmal noch die Toy Box-Party. Einmal noch DJ Katch, Frizzo, DJ Maxxx. Einmal noch alle lieb gewonnenen Menschen der letzten fast 17 Jahre zusammenbringen, um das Closing zu feiern. Und schließlich: Eine letzte Warenbestellung. Ein letzter Newsletter. Ein letztes Mal die Tür aufschließen. Ein letztes Mal die Tür abschließen. Ein letzter Blick zurück.

Nichts ausgelassen

Und was sehen, was fühlen wir nun, beim letzten Blick zurück? Unzählige Erinnerungen. Begegnungen mit Menschen, die wir nicht vergessen werden. Erfahrungen, die uns geprägt haben. Künstler:innen und Musik, die wir entdeckt und oft in unser Herz geschlossen haben. Ökologische und soziale Beiträge, die wir geleistet haben. Erfolge und Niederlagen. Relevanz und Irrelevanz. Freude und Schmerzen. Das ganze Programm, das ein Leben - auch das Nachtleben - so ausmacht. Wir glauben, wir haben nichts ausgelassen. Wie hätten wir auch? Das moondoo sollte so bunt sein wie die Realität. Es war "ein Fixstern am Hamburger Nachthimmel" (Welt), „die Schnittmenge zwischen Schickeria und Subkultur" (Szene Hamburg),  "eine Institution" (MoPo). 

Vielen Dank für alles

Wir können deshalb nicht anders, als mit einem großen lachenden Auge - und einem kleinen weinenden Auge - zu sagen: Vielen Dank, dass wir diesen Club so lange betreiben durften. Macht’s gut, passt auf Euch auf, seid tolerant, freundlich und lieb zueinander. Wir sehen uns sicherlich wieder, irgendwo da draußen in unserer Stadt, wenn die Sonne untergegangen ist, wenn inspirierende Musik uns wieder vereint, an alten und an neuen Orten.