2023

Fast ein bisschen so wie früher...

Nachdem die Pandemie in 2023 abgeflaut war, erinnerten wir uns allmählich an das, was das moondoo einst groß gemacht hatte - der Spagat zwischen Kunst und Kommerz. Ob es uns nach der langen Zwangspause noch einmal gelingen würde, neue progressive Künstler:innen und bunte hedonistische Nächte miteinander zu vereinen? Zunächst sah es so aus: In manchen Wochen konnten Gäst:innen zu edgy Sounds von Acts wie Mulay tanzen und am nächsten Abend Selfies mit Rap-Superstar Shirin David machen. Zugleich drohte neues Ungemach…

moondoo 2023

Sammus, moondoo 2023

moondoo 2023

Pauline Moser, moondoo 2023

Shirin David, moondoo 2023

moondoo 2023

Raumfisch, moondoo 2023

moondoo 2023

Halloween, moondoo 2023

Kamil Husyainov, moondoo 2023

Vor dem Hintergrund der sich wandelnden Reeperbahn und ihrem eskalierenden Strom an oft betrunkenen Tourist:innen hatten wir unsere Programmtage schon in 2022 angepasst: Statt wie früher an unseren Freitagen neue innovative Musik zu präsentieren, taten wir das nun an Wochentagen, wenn der Kiez ruhig war und sich auch die lokale Szene wieder „traute“, vorbeizuschauen. Im Unterm Strich, das durch seinen versteckten Eingang nur Eingeweihte fanden, war es sogar am Wochenende möglich, auch jenseits des Mainstreams eine musikinteressiertere Crowd anzuziehen. Zwar waren beide Optionen wirtschaftlich schwierig, aber es gab ja die „Neustart Kultur“-Förderung, mit deren Hilfe wir fürs Erste handlungsfähig blieben.

Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit

Während wir am Konzept arbeiteten, fokussierten wir uns zugleich auf das neue ZUKUNFT FEIERN Programm, dem Nachhaltigkeitskonzept für eine grünere Clubkultur, das wir 2022 im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung unterschrieben hatten. Heiße Rohre wurden isoliert, um Gas zu sparen, der Stromanbieter wurde gewechselt, um Ökostrom nutzen zu können, Ideen für eine schlüssigere Abfalltrennung wurden diskutiert. Es waren kleine Schritte - aber gemeinsam würden sie schon bald einen Unterschied machen, wie wir später in unseren Abrechnungen lesen sollten.

Unvergessliche High Jazz-Abende

Unserer „High Jazz“-Serie, die so viel mehr war als einfach „nur“ Jazz, entwickelte sich mit jeder Show stärker, was am sicheren Händchen von Kurator und Producer High John lag, der unter anderen die Kölner Jazzband Perfektomat und Leftfield-Rapper Retrogott für ein gemeinsames Konzert anlässlich ihres herausragenden Albums „Zeit hat uns“ in den Club führte. Aber auch die Berliner Electronica-Künstlerin Mulay und die Beatmaker-Granden Suff Daddy und Twit One performten (Letztere unter dem Titel moondoo in the park im Cafe Schöne Aussichten.)

Neues Terrain für Newcomer:innen

Um jungen lokalen Acts, die während der Pandemie nicht auftreten konnten, eine Bühne zu geben, entwickelten wir ein neues Live-Format, das unabhängig vom moondoo eine eigene Identität entwickeln sollte. Wir nannten es Terrain und starteten im Mai mit einem ersten (Mittwoch)Abend mit den Künstler:innen wurms, THAD, Sant, Hanna Noir und DJ Babyblade. Euphorie, Gänsehaut und Wertschätzung, vom Soundcheck bis zur Zugabe. Es war, als hätte sich ein stark verrostetes Ventil geöffnet für all die guten Beats und Ideen, die während der Shutdowns nur auf Insta, Tiktok und Spotify zu erahnen waren und jetzt endlich live gehen durften. Weitere Terrain-Sessions folgten in den kommenden Wochen im Unterm Strich und im Cafe Schöne Aussichten.

Hybride Live-Konzerte starten

Obwohl alles dafür sprach, dass die Pandemie nun wirklich vorbei war, blieben wir immer noch mißtrauisch. Was, wenn sich eine neue gefährlichere Variante einschleicht? In den Shutdowns hatten wir DJ-Sets gestreamt - sie waren der einzige Weg, um Clubkultur auch ohne Präsenzpublikum darzustellen. Vielleicht sollten wir unser Know-How erweitern? Mit der Hamburger Produktionsfirma SAM Medien erarbeiteten wir eine hybride Version ihrer Online-Konzert-Serie „waschecht.hamburg“ und luden Artist wie US Conscious Rapperin Sammus, aber auch die Punk-Hip Hop-Band Raumfisch und die Songwriterin Lioba ins moondoo ein.

Schlechte Nachrichten von der IFB

Im Juni erreichten uns schlechte Nachrichten. Die Neustart Kulturförderung lief aus, das war bekannt, aber relativ zeitgleich bekamen wir nach über einjähriger Wartezeit die Meldung, dass wir die Überbrückungshilfe 4, die im Zeitraum Januar bis März 2022 als eine Art Ausgleich für die Corona-bedingten Einschränkungen gezahlt wurde, nicht erhalten würden. Über die Gründe schwieg sich die verantwortliche Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) zunächst vornehm aus. Wir legten Widerspruch ein und beschlossen zugleich, unsere Kosten, speziell für riskantere Bookings, zurückzufahren. Eine traurige, aber richtige Entscheidung, wie sich noch zeigen sollte.

After Show mit Shirin David

Nach einem langen heißen Sommer brachte eine neu erdachte CI dem moondoo-Samstag im Herbst ein Momentum. Zum Kick-off flog der Pariser DJ Sallah ein. Zudem buchten wir nun regelmäßig Instrumentalist:innen, die synchron zu den DJ-Sets Violine oder Saxofon spielten. Einen Höhepunkt erlebte die Serie im November, als Rap-Superstar Shirin David ihre Aftershow im moondoo feierte und zwischen Blitzlichgewitter und einer kleinen Live-Performance eine Anekdote teilte: Früher wäre sie nicht in den Club eingelassen worden, nun bekomme sie sogar Geld für einen Auftritt von uns. Applaus. Auch von uns. In der Musikbranche ist eben vieles möglich.

Viel Solidarität mit dem Molotow

Zu Weihnachten verfiel die Clubszene in Schockstarre, als das Molotow vermeldete, dass der Vermieter den Vertrag gekündigt habe, um ein Boutique-Hotel zu bauen. Der Kiez ohne das Molotow? Das war unvorstellbar. Hier hatten schon Bands wie Imagine Dragon performt, weit vor ihrem kommerziellen Erfolg. Wir riefen in unserem Newsletter zur Teilnahme an der "Molotow must stay"-Demo auf und begannen zu überlegen: Könnten wir dem Club unter Umständen helfen, weiterzumachen?